Messe
mit Aussicht

DIE FRAGE, WARUM DIE FEIERLICHE
Kellerjochmesse
SEIT EINER KLEINEN EWIGKEIT DAS HIGHLIGHT IM JAHR DER SCHWAZER SCHÜTZEN IST,
STELLT SICH NICHT WIRKLICH. BEI DER KAPELLE AM HAUSBERG DEM HIMMEL ZU HULDIGEN,
LÄSST SICH GAR NICHT VERMEIDEN.

Wenn Berge da sind, weiß ich, dass ich da hinaufgehen kann, um mir von oben eine neue Perspektive vom Leben zu holen. Der Musiker Hubert von Goisern hat das nicht gesungen, wohl aber gesagt, und irgendwie trifft er damit punktgenau in die Herzen der alpinen Menschen. Jener jedenfalls, die in den Bergen keine schroff abweisenden Hürden sehen, sondern prachtvolle Einladungen dazu, dem alltäglichen Leben ein wenig zu entrücken und die Welt um sie herum wieder als Ganzes wahrzunehmen. Das Bergsteigen wird viel besungen, Gipfelsiege mit Echo bejodelt und waghalsigere Touren oft auch lautstark mit an Angler erinnerndem Latein ausgeschmückt. Dabei sind es eigentlich die stillen Augenblicke, die viele
Bergerlebnisse miteinander verbinden.

Die Kraft des Oben
Das Kellerjoch mag nur ein Berg von so vielen in den Tuxer Alpen sein, doch haben diese Augenblicke auf seinem Gipfel eine besondere Kraft. Vielleicht, weil die mächtigen Zacken des Karwendels in ihrer eindrucksvollen Weite erfasst werden können. Vielleicht, weil der urbane Trubel im Inntal von hier oben so unwirklich erscheint oder eben weil es auch Blicke in fernere Felsformationen gibt, die keine menschlichen Spuren zeigen. Wahrscheinlich ist es die Mischung des bizarren Panoramas, die das Kellerjoch zu dem macht, was es ist: dem felsenfesten Stolz der Menschen aus Schwaz und Pill, denen dieses 2.344 Meter hohe Joch der Hausberg ist. 2.344 Meter hoch? Die Höhenangabe stimmt schon, doch stimmt sie eben nur, wenn die Kapelle nicht miteinberechnet wird, die das Kellerjoch krönt und von seinen mit Kreuzen geschmückten Kollegen abhebt. Dass der Gipfel ein strahlender Kraftplatz ist, auf dem es sich gar nicht vermeiden lässt, dem Himmel zu huldigen, muss den Erbauern des kleinen Gotteshäuschens wohl bewusst gewesen sein. Und sie nahmen viele Mühen auf sich, um die Besonderheit ihres Berges mit einer Kapelle weithin sichtbar zu machen. „Die Schüler des Paulinums in Schwaz haben unter anderem die Bretter für die Kapelle raufgetragen“, weiß Hannes Filzer, Hauptmann der 1. Schwazer Schützenkompanie. Als die Schüler dies taten, gab es noch keinen gemütlichen Lift. Die Kellerjochbahn wurde erst 1953 gebaut, die Kapelle aber bereits 1931 eingeweiht, was den Brettern zusätzliche Schwere verleiht.

 

BEI DER
Einweihung
DER KELLERJOCHKAPELLE WAREN
1.200 LEUTE OBEN AM GIPFEL.

Hannes Filzer, Hauptmann der 1. Schwazer Schützenkompanie

Spezieller Ort
Immer schon wurden die Menschen, die das Kellerjoch erwanderten, mit dem erhabenen Rundumblick belohnt, doch am Tag, an dem die jetzige Kapelle eingeweiht wurde, war auch die Menschenmenge eine Art Lohn für Schüler und Baumeister. „Bei der Einweihung der Kellerjochkapelle waren 1.200 Leute oben am Gipfel“, erzählt Hannes Filzer schier Unglaubliches. Ein wahres Menschenmeer hatte sich damals um die Kapelle geschart und nicht nur die Vorstellung, dass sie alle zuvor gemeinsam auf den Berg gestiegen waren, macht dieses Ereignis so eindrucksvoll. Auch das Bild von 1.200 Mal demütig gesenkten, mal freudig in die Höhe blickenden Köpfen ist reizvoll. „Ja, die Kapelle ist schon etwas ganz Besonderes und es ist immer ein gutes Gefühl, dort zu sein“, so der Hauptmann.

20 bis 30 Mal pro Jahr sucht und findet er dieses Gefühl – nicht nur, weil er als Schwazer stolz ist auf die Krone seines Hausberges, sondern auch, weil es die 1. Schwazer Schützenkompanie ist, die die Kapelle seit Jahrzehnten betreut: „Wir haben eine Mordsgaudi damit. Das ist für uns ein sehr spezieller Ort.“
An diesem speziellen Ort feiern die Schützen jährlich ihren ganz speziellen Tag. Sie betreuen nicht nur die Kapelle selbst und kümmern sich darum, dass sie in Schuss gehalten wird, sondern organisieren mit der Kellerjochmesse auch das Highlight für die Kompanie und alle, die mit ihr feiern wollen. „Die Messe ist der Höhepunkt in unserem Schützenjahr. Sie findet immer Ende Juli statt. Danach rücken wir noch am Hohen Frauentag, beim Zapfenstreich am Nationalfeiertag und zur Heldenehrung aus“, erzählt Filzer.


Stille Augenblicke
1976 hat die Kompanie die Betreuung der Kapelle übernommen, nachdem ihre Mitglieder sich um ihre Renovierung gekümmert hatten. Die Kapelle war in die Jahre gekommen, die starken Wetterumschwünge hatten ihre Spuren hinterlassen und so gingen die Schützen im Jahr des Denkmalschutzes her, neben dem Vereinsheim auch die Kapelle in neuem Licht erstrahlen zu lassen. Seither ist sie für die Schützen ein wohl behütetes Kleinod und Mittelpunkt für ihren großen Tag. „Die Kapelle ist damals von Franziskanerpatern eingeweiht worden und nach wie vor fragen wir einen der Pater, ob er für uns die Messe liest“, sagt Filzer.


Wie die Teilnehmer – meist sind es zwischen 200 und 300 Menschen, 350 wurden aber auch schon gezählt – muss auch der Pater gut zu Fuß und schwindelfrei sein, um auf den letzten Metern zur Kapelle keine Zustände zu erleben, die den Tag trüben könnten. „Wir sind schon oft im Schnee raufgestapft“, weiß Filzer von den kühlen Launen des Sommers zu berichten, an denen die Wanderung über den letzten Grat von der Kellerjochhütte zur Kapelle zu gefährlich war. Vor zwei Jahren schüttete es überhaupt so wild, dass die Messe beim Hecherhaus stattfinden musste, doch kann auch das wildeste Wetter die Schützen nicht davon abhalten, ihren Tag auf dem Berg zu zelebrieren und im Gebet der verstorbenen Kameraden zu gedenken.
Meistens haben sie Glück und das Wetter spielt mit. Dann ist die Kellerjochkapelle der perfekte Mittelpunkt, um die stillen Augenblicke, die hier oben eine besondere Kraft haben, miteinander zu teilen. Der Himmel rückt dabei ein Stück näher. Das tut er am Kellerjoch einfach mehr als anderswo.

Heuer findet die Kellerjochmesse am Sonntag, den 29. Juli statt.

2.344

Meter hoch
liegt das Kellerjoch