Grasausläuten

Lang gelebte Tradition

Der Weckruf der Glocken: ihr Lärm geht durch Mark wie Bein und tief in die Erde hinein. Dort wird nach kargem Winter das Gras geweckt. Satt wachsen soll es. Das ist das Ziel. Darum kümmern sie sich jedes Jahr – die „Grasausläuter“ in Schwaz.

Wer an diesem Tag in seinem so gemütlichen Bett in Schwaz lang und genüsslich ausschlafen will, kann nicht. „Darum gehen wir schon um halb zehn – die Leute müssen aus ihren Betten rausfliegen“, gesteht Reinhard Hechenblaickner. Reue oder Mitleid sind die letzten Regungen, die ihn bei diesem Geständnis bewegen. So ist das. Und so soll es sein. Nein, so muss es sein, schließlich hat der Lärm, der die Schwazer aus ihren Betten fliegen lässt, einen wundersamen Sinn. „Wir treiben den Winter endgültig aus und läuten das Gras heraus – dass es zu sprießen anfängt und wieder wächst“, sagt er noch.

Die Erde aufrütteln

Reinhard Hechenblaickner ist Leutnant. An diesem ganz speziellen Tag lässt sein Titel aber niemanden stramm stehen. Im Gegenteil. Bewegung ist es, die die Stadt Schwaz akustisch und ganz konkret durchströmt, wenn Hechenblaickner und seine Kameraden der ersten Schwazer Schützenkompanie losziehen, um mit enorm lautem Geläut nicht nur die Schlafmützen, sondern vielmehr die Erde selbst wachzurütteln.

Allerlei Unfug

So genau weiß eigentlich niemand, wie alt dieser Brauch ist. Vielleicht ist das auch gar nicht so wichtig, geht es doch darum, dass damit eine Tradition weiterlebt, deren Sinn und Zweck schöner kaum sein könnte. Doch die historischen „G’schichtl’n sind allemal spannend. In ihrem Buch „Volkskundliches aus dem bayrisch-österreichischen Alpengebiet“ aus dem Jahr 1910 zitierte Marie Andree-Eysn Franz Wieser beziehungsweise aus dessen Mitteilungen und hielt in schöner altdeutscher Schrift fest, dass die Grasausläuter in Schwaz früher Masken trugen und sich hierdurch den Perchten näherten. „Aber die Masken kamen ab und die Grasausläuter bemalten sich dann das Gesicht mit Ruß, trieben auch, da ihnen bei den Bauern stets Schnaps gereicht wurde, allerlei Unfug, so dass von Seiten der Behörde das Grasausläuten abgestellt wurde. Jetzt ist es in gemäßigter Form wieder erlaubt und die Burschen erhalten nun, wohin sie kommen, meist Milch als Getränk“, schreibt sie.