Bosrtenvieh und Schweinespeck
Kohlerhof
WER IHREN HOFLADEN VERLÄSST, IST DOPPELT GUT BESTÜCKT – MIT HERZHAFT GUTEM
UND GUTEM GEWISSEN. AUSSERHALB UND DOCH IN SCHWAZ STEHT ER, DER KOHLERHOF,
WO DIE FAMILIE DANZL LEBT, ARBEITET UND SEIT VIELEN JAHREN ZEIGT, DASS SPECK NICHT
GLEICH SPECK IST. ECHT NICHT.
Du bist kein Morgenmensch. „Keiner von uns“, gesteht Kathi Danzl. Sie ist die „Altbäuerin“ am Hof. Die Bezeichnung lässt vor dem Auge rasch das Bild einer gekrümmten, runzeligen Frau mit Kopftuch entstehen. Kathi Danzl ist das Gegenteil davon. Das glatte Gegenteil, um genau zu sein. Vieles ist hier am Kohlerhof in Ried 29 anders, Als es die flotte Vorstellung eines Bauernhofes immer noch vorgaukeln will. Die großzügige Küche der „Jungbauern“ ist hell, modern und doch heimelig und durch drei Türen zu betreten – dreifach einladend sozusagen. Von hier aus lässt sich das Leben am Hof ausgezeichnet überblicken. Die Laufenten, der Kräutergarten, der Eingang zum Stall oder der Weg zum Haus und zum Hofladen.
Beim Umbau des alten Stalls zum Wohngebäude wurde darauf geachtet, dass beide Wohnungen einen eigenen Einang haben. In Bauernhöfen ist es eigentlich gang und gäbe, dass alle Generationen durch eine Haustür gehen. Und dass die Familie nicht zu nachtschlafender Zeit aus den Betten und in den Stall wandelt, ist eben auch eher ungewöhnlich. „Wir fangen um sechs, halb sieben an. Das ist normalerweise schon zu spät“, sagt Kathi, und Schwiegertochter Gertraud Danzl ergänzt mit dem gleichen Humor: „Die Tiere haben zwangsläufig den gleichen Rhythmus.“ Ja, so einfach ist das.
Vor drei Jahren haben Gertraud und Hannes Danzl den Hof von Hannes’ Eltern übernommen, mit deren Hilfe sie das weiterleben, was mittlerweile zu einer Seltenheit in der landwirtschaftlichen Welt geworden ist. „Wir sind Vollerwerbsbauern“, sagt Hannes Danzl. „Schon der Papa war im Vollerwerb und weil unser Hof relativ klein ist, mussten wir früh überlegen, wie wir Zusatzeinkünfte bekommen.“
Nichts Herkömmliches
Was die Lage und vor allem die Aussicht betrifft, ist das Platzl hier – am Hang in Ried – günstig, wenn nicht prächig. Wer mit beackerbaren Hektaren allerdings nicht so gesegnet ist, muss sich etwas einfallen lassen. Qualität statt Quantität, Außergewöhnliches statt Herkömmlichem, Besonderes statt Einheitsbrei. Die Richtung, in die sich die Familie vor knapp drei Jahrzehnten zu bewegen begann, regt zu vielerlei Vergleichen an. Aus dem Wunsch heraus, kein Nebenerwerbsbauer zu werden, wurde jedenfalls der Grundstein für eine breite Basis gelegt, auf die nunmehr
auch die nächste, die vierte Danzl-Generation am Hof ihre Zukunft baut. „Wir haben vor 30 Jahren angefangen, Speck zu machen“, erinnert sich Hans Danzl, der „Altbauer“, der ebenso wenig wie seine Frau dem damit einhergehenden Bild entspricht. Aus „Altsauen“ wurden „Mastsaue“, zum
Speck gesellten sich bald Würste und auch mit Himbeeren wuchsen Möglichkeiten. „Wir hatten die Stauden vor dem Hof am Feld. Das wurde aber dann viel zu arbeitsintensiv“, erzählt Hannes. Als die Stauden entfernt wurden, grunzte der eigentliche Arbeitsmittelpunkt eh längst im Stall.
„Mein idealer Lebenszweck ist Borstenvieh und Schweinepeck“, singt der reiche Schweinezüchter in Johann Strauß’ Operette „Der Zigeunerbaron“. Um Borstenvieh und Schweinespeck dreht sich auch am Kohlerhof so manches, selbst wenn der Reichtum dort weniger im satten Geldbeutel zu finden ist als vielmehr in der schönen Gewissheit, von der eigenen Hände Arbeit der ganzen Familie ein gutes und schönes Leben zu ermöglichen. Der Urcharme dieser Idee ist so alt wie die Menschheit selbst, doch haben – wir erwähnten es schon – heute nur noch wenige kleinere Landwirte die Möglichkeit, diese in der einerseits viel größer, andererseits viel enger und strenger gewordenen Welt umzusetzen. „Die zahlreichen Auflagen, Bestimmungen und Vorschriften hindern sicher viele Kleine daran, so etwas zu starten“, ist Gertraud überzeugt, und Schwiegervater Hans erklärt, warum die Bestimmungen, die Initiativen und Engagement durchaus im Keim zu ersticken vermögen, den Kohlerhof nicht in die Knie zwingen können: „Wir sind mit den Auflagen gewachsen. Wir haben nachgerüstet und nachgerüstet und nachgerüstet.
Das alles auf einmal zu erfüllen, würde extrem hohe Investitionen bedeuten.“ Auch vor dem Hintergrund hat sich die Entscheidung von damals als goldrichtig erwiesen. Nicht minder richtig war auch die Berufswahl des Sohnes. Metzger hat er gelernt und sein Können bedeutet neben dem Handwerk auch Geschmack. Alle drei Wochen wird geschlachtet. „Diesen Rhythmus ziehen wir durch. Würden wir den Rhythmus verkürzen, würden wir das arbeitstechnisch nicht schaffen“, sagt er. Zwei Wochen nutzt er für die Arbeit im Stall, mit dem Vieh und am Feld. Insgesamt zwölf Hektar werden von den Danzls bewirtschaftet, allein auf acht Hektar wird das Getreide für die Schweine angebaut.
Mit selbst angebauter Gerste, Weizen und Triticale, einer Kreuzung aus Weizen und Roggen, werden die Glücksbringer gezogen. Mais steht schon lange nicht mehr auf dem Futterplan.
In der Schlachtwoche geht es dann im wahrsten Sinn des Wortes um die Wurst. Wenn es nicht um den Speck geht, den es am Kohlerhof in „vier Arten“ gibt: Schinken-, Karree-, Bauch- und meist auch Schopfspeck. „Es gibt noch drei verschiedene Schinken, Kochschinken, Frankfurter, Weißwurst, im Winter Blutwurst, Lyoner, Extra-, Paprika- und eine
Streichwurst. Dann noch eine Hartwurst, zwei verschiedene Sulz’n, dreierlei Kaminwurz’n und im Sommer werden wir vielleicht mit Bratwürstl’n anfangen“, zählt Gertraud die Palette wie aus der Pistole geschossen auf und genauso schnell ist klar, warum Hannes für die Verwandlung des Fleisches in all die Köstlichkeiten eine Arbeitswoche reservieren muss.
Der Laden
Durchschnittlich leben zwischen 180 und 200 Schweine am Hof. Von ganz klein bis ganz groß. „Wir haben sie von Geburt
auf und kaufen keine Schweine zu“, erklärt Hans. „Von der Wiege bis zur Bahre“, ergänzt Gertraud mit dem Spruch der
Direktvermarkter. Dass am Kohlerhof jeder jederzeit in den Stall schauen und sich vom Wohl der Tiere überzeugen kann,
war immer schon so. Als der Stall umgebaut wurde, war diese Philosophie ein wichtiger Punkt für den Plan. „Ich habe
nichts davon, wenn ich es so baue, dass ich möglichst wenig Aufwand habe, und die Kunden vielleicht denken, dass unse-
re Philosophie hinkt“, erklärt Hannes. „Ich lebe vom Verkauf.“
Apropos Verkauf. Der ist es, weswegen die Danzls Vollerwerbsbauern sein können. Und die Tatsache, dass sie das schon
so lange „können“, spricht Bände – für den Speck, für die Würste und deren Qualität. Der Gaumen der Kunden ist wie ein
Wegweiser, der konstant auf den Kohlerhof zeigt. Dass Speck nicht gleich Speck ist, wissen nicht nur die regelmäßigen „Wie-
derkehrer“. Ihr offenkundig ausgezeichneter Geschmack wird durch die zahlreichen Auszeichnungen bestätigt, die den Hof
gleichsam adeln. Im wahrsten Sinn des Wortes, wurden die Danzls doch allein im Jahr 2014 dreifache Landessieger – für
den Karree-, den Schinken- und den Bauchspeck –, was sie berechtigt, die begehrte GenussKrone zu tragen, die allerhöchste
Auszeichnung für regionale Spezialitäten in Österreich. Früher lief der Ab-Hof-Verkauf durch die „Kuchltür“. Klingt schon schön, doch irgendwann wurde es dann doch zu viel. Nach wie vor ist es so, dass Kunden, die zu Freunden wurden,
oder Freunde, die auch Kunden sind, geschwind auf einen Kaffee eingeladen werden, beim Umbau hofften auch nicht wenige auf ein „Hofcafé“. „Das wäre dann doch zu viel Arbeit. Obwohl, irendwie sind wir ja doch ein kleines“, schmunzelt Gertraud.
Um die wachsende Kundenschar zu „leiten“ und ihnen nebst den hauseigenen Produkten, zu denen in der Schlachtwo-
che auch Frischfleisch und übers Jahr Kartoffeln zählen, eine breitere Palette zu bieten, wurde vor bald zehn Jahren
der Hofladen eröffnet. Wieder war es eine richtige Entscheidung zur richtigen Zeit. Seit etwa zehn Jahren steigt das Be-
wusstsein der Konsumenten. Sie wollen wissen, woher ihre Lebensmittel kommen. Sie wollen eine rundum ehrliche Ge-
schichte. Und die bekommen sie hier. „Man braucht ein gewisses Sortiment, eine kleine Produktvielfalt“, sagt Hannes.
Weil Direktvermarkter sich kennen, war es nicht schwer, die Vielfalt auf die Beine zu stellen. „Wir haben Kräuter, Obst,
Marmeladen, Honig, Saft und handgemachte Nudeln“, lässt Gertraud in die Regale blicken. Ein g’schmackiger Blick ist
das. Einer, der lockt. Und verlockt. Möglich ist er von Dienstag bis Freitag, von 8.30 bis 11 Uhr und von 15 bis 18 Uhr, am
Samstag werden die Schmankerln von 8.30 bis 11 Uhr am Bauernmarkt am Pfundplatz in Schwaz verkauft.